Die Balance zwischen Mitgefühl und Professionalität in der Pflege
Pflegebedürftige wünschen sich eine einfühlsame und individuelle Betreuung, die mitfühlend auf ihre Situation eingeht. Bedeutet Mitgefühl eine Entfernung von der Professionalität in der Pflege? Häufig wird die Bedeutung des Mitgefühls im Pflegealltag unterschätzt, dabei ist eine mitfühlende Pflege Ausdruck von hoher Kompetenz.
Was erwarten Pflegebedürftige von einer mitfühlenden Pflege? Die Ausgestaltung und die Qualität der Begegnung sind hier grundlegend: Die Art und Weise der verbalen und nonverbalen Kommunikation spielt dabei eine entscheidende Rolle und prägt die Beziehung zum Pflegepersonal. Oft sind es schon die kleinen Gesten, wie eine beruhigende Hand auf der Schulter, die eine tiefgreifende Wirkung haben. Eine solche ganzheitliche Kommunikation wird als Ausdruck eines fürsorgenden Verhaltens, verantwortungsbewusster Zuwendung und einer mitfühlenden Grundhaltung wahrgenommen. So haben Fachkräfte wie Altenpfleger und Krankenpfleger auch in kurzen Momenten oder bei routinemäßigen Pflegehandlungen einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden von Patienten ohne erhöhten Zeitaufwand.
Empathie als Voraussetzung für Mitgefühl in der Pflege
Empathie und Mitgefühl sind zwar miteinander verbunden, stellen jedoch unterschiedliche emotionale Zugangsweisen in der Pflege dar. Während Empathie das Verständnis für die Beeinträchtigungen pflegebedürftiger Menschen und die damit verbundenen körperlichen und psychischen Belastungsmomente bedeutet, führt Mitgefühl zu einer inneren Bereitschaft, die besondere Lebenssituation und Leiderfahrungen bei Patienten mitzuempfinden und zu helfen, diese aktiv zu überwinden.
Mitgefühl ist mehr als nur eine Emotion; es ist eine Haltung, die es Pflegenden ermöglicht, eine andere Perspektive einzunehmen, das Leid anderer mitzuempfinden, ohne sich selbst davon überwältigen zu lassen. Dieser Unterschied zur Empathie ist entscheidend, da er es erlaubt, sich emotional abzugrenzen. Negative Erfahrungen von Schmerz und Leid wie etwa häufig in der Intensivpflege werden zu positiven Affekten wie Wärme, innere Zufriedenheit und Glück gewandelt, da man in der Lage war, anderen zu helfen und in Krisensituationen Handlungsalternativen findet.
Einfühlung in der Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen
Über das Wissen und die fachliche Kompetenz hinaus trägt das Mitgefühl in der Beratung von Pflegebedürftigen wesentlich zur Qualität solcher Gespräche bei. Beratung ist zwischenmenschliche Begegnung, die Vertrauen schafft. Eine mitfühlende Haltung ist auch in einer Beratungssituation wesentlicher Teil einer gelingenden Kommunikation.
Hier kommt es darauf an, für den Pflegebedürftigen da zu sein, individuell auf seine Fragen, Ängste und Sorgen einzugehen, ohne die professionellen Aspekte der Betreuung und Versorgung aus dem Blick zu verlieren. Das ist ein anspruchsvoller und mitunter herausfordernder Balanceakt, zumal Beratungen im Pflegealltag auch von den Stimmungen und Gefühlslagen der pflegebedürftigen Person geprägt werden. Diese gilt es wahrzunehmen, sich mitfühlend in die Situation der Pflegebedürftigen zu versetzen, Ursachen für besondere Befindlichkeiten (Ängste, depressive Verstimmungen) zu finden und Handlungsalternativen aufzuzeigen. Die Berührung mit Worten oder Gesten drückt Anteilnahme aus und spendet Trost.
Einfühlung im Pflege-Team richtig einschätzen und auffangen
Die Erfahrungen des Pflegealltags werden in der Regel im Pflegeteam besprochen, um Handlungsoptionen für Verbesserungen zu finden und in Akutsituationen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Auch die Auseinandersetzung mit dem bewussten Einsatz von Mitgefühl sind ein wesentlicher Aspekt der Selbstreflexion in jedem pflegerischen Kontext: Wie lässt sich eine gelingende Ansprache im Pflegealltag erzielen, wie gehen Pflegebedürftige damit um und was können mitfühlende Pflegekräfte daraus lernen?